Selbstbestimmungsgesetz: Vornamen und Geschlecht lassen sich ab jetzt leichter ändern

Lesezeit: 3 minSonstiges
Vier junge Menschen posieren fröhlich für ein Foto.©jacoblund - iStock

Nicht alle Menschen können sich mit dem Geschlecht, das ihnen nach der Geburt zugeschrieben worden ist, identifizieren. Ebenso ist es mit dem Vornamen. Daher wurde jetzt das Recht zur Änderung von Geschlecht und Vornamen vereinfacht. Wir erklären Ihnen, was von November an gilt.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Die Änderung des Geschlechtseintrags und des Vornamens im Personenstandsregister ist seit November einfacher möglich.

  • Für die Änderung ist nur noch eine Erklärung beim Standesamt nötig.

  • Psychologische Gutachten, die vorher verlangt worden sind, entfallen.

Änderung von Geschlecht und Vorname – ein bürokratischer Aufwand

In unserer Gesellschaft wird uns aufgrund äußerer Geschlechtsmerkmale direkt nach Geburt ein Geschlecht zugeordnet. Dabei kommt es jedoch zu Fehleinschätzungen. Menschen, die sich als Frau identifizieren, werden dem männlichen Geschlecht zugeordnet – und andersherum.

Betroffene können daher ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister nachträglich ändern lassen. Die Änderung war bislang aber nur unter sehr schweren Voraussetzungen möglich. So sah das Transsexuellengesetz (TSG), das bislang galt, vor, dass es für die Änderung des Geschlechtseintrages zwei psychologische Gutachten bedarf. Das war für die Betroffenen sehr belastend.

Mit dem Selbstbestimmungsgesetz – konkret: Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) – wird dieser Prozess, das Geschlecht und den oder die Vornamen im Pass zu ändern, stark vereinfacht. Das Gesetz tritt zum 1. November in Kraft. Voranmeldungen für die Geschlechtsänderungen waren bereits seit August möglich.

Was ist neu?

Durch das neue Selbstbestimmungsgesetz können Geschlecht und Vorname durch eine einfache Erklärung beim Standesamt im Pass geändert werden, ohne aufwendige Gutachten. Dies ist durch die freie Entfaltung der Persönlichkeit, die Achtung der Privatsphäre und die Nichtdiskriminierung gedeckt.

Das Gesetz sieht eine Bedenkzeit von drei Monaten vor. So lange sollen die Menschen, die sich für eine Änderung von Geschlecht oder Vornamen entschieden haben, darüber nachdenken, ob ihre Entscheidung wirklich die Richtige für sie ist.

Wie wird eine Änderung des Geschlechts oder des Vornamens beantragt?

Für den Antrag auf die Änderung des Geschlechts oder des Vornamens ist erforderlich, dass Sie persönlich beim Standesamt die Änderung beantragen. Geändert werden kann die Geschlechtsangabe in weiblich, männlich oder divers.

Die Selbstauskunft nennt sich Erklärung mit Eigenversicherung. In der Erklärung müssen Sie versichern, dass die beantragte Änderung Ihrer Geschlechtsidentität am besten entspricht und Sie sich der Tragweite der mit der Erklärung verbundenen Folgen bewusst sind.

Wichtig: Wegen der dreimonatigen Bedenkzeit müssen Sie die Änderung drei Monate vor dem persönlichen Termin im Standesamt anmelden. Nach der Anmeldung haben Sie sechs Monate Zeit, die Erklärung beim Standesamt abzugeben.

Nach der Änderung sind Ihr alter Personalausweis und Reisepass ungültig. Sie müssen die Dokumente also neu beantragen.

Sie können anschließend Dokumente wie Zeugnisse, Ausbildungs- oder Dienstverträge, Führerscheine, elektronische Gesundheitskarten, Zahlungskarten und mehr ändern lassen. Den Anspruch haben Sie gegenüber den Behörden und Institutionen sowie Personen, welche die Dokumente ausgestellt haben.

Was gilt für Minderjährige?

Minderjährige, die ihren 14. Geburtstag hinter sich haben, benötigen für den Antrag die Zustimmung der oder des Sorgeberechtigten. Bei Menschen unter 14 Jahren müssen die oder der Sorgeberechtigte(n) den Antrag stellen. Im Streitfall soll ein Familiengericht entscheiden.

Kann das Geschlecht erneut geändert werden?

Für die erneute Änderung des Geschlechtseintrages und des Vornamens gilt eine Sperre von einem Jahr.

Geschichte: Transsexuellengesetz für verfassungswidrig erklärt

Das Bundesverfassungsgericht erklärte 2011 das TSG, welches seit 1980 galt, in Teilen für verfassungswidrig. Es verletzte das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Die Geschlechtsidentität habe nichts mit den körperlichen Merkmalen zu tun, so das Gericht. Daher musste ein neues Gesetz her.

Die Bundesregierung geht in der Begründung zum Gesetz von rund 4.000 Fällen von Änderungen nach dem SBGG pro Jahr aus. Medien sprechen von bis zu 15.000 Anmeldungen zum 1. November 2024.

Anna Kristina Bückmann

Anna Kristina Bückmann

Mit ihrem Fachwissen als Volljuristin beantwortet sie für meinrecht.de die alltäglichen Rechtsfragen unserer Leser:innen.

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