Keine Angst vor Eigenbedarf: Diese Rechte haben Mieter
Viele Mieter:innen fürchten sich vor der Kündigung wegen Eigenbedarf. Doch diese Möglichkeit, Sie aus der Wohnung zu bekommen, ist für Vermieter:innen gar nicht so leicht. Und: Es gibt Möglichkeiten, sie zu verhindern.
Das Wichtigste in Kürze:
Bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs dürfen nur nahestehende Familienangehörige oder Vermietende selbst einziehen.
Für die Eigenbedarfskündigung gibt es Fristen.
Bedeutet die Kündigung für Sie eine besondere Härte, können Sie sich wehren.
Mieterschreck: Eigenbedarf
Eigenbedarf liegt immer dann vor, wenn der Vermietende selbst, nahe Verwandte oder Personen, die mit ihr oder ihm im Haushalt leben, in die vermietete Wohnung oder das vermietete Haus einziehen wollen.
Aber wer zählt eigentlich zu diesen „nahen Angehörigen“? Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied neulich in einem Verfahren, dass Cousins nicht zu diesen nahen Angehörigen gehören und demnach für sie auch kein Eigenbedarf beansprucht werden kann (Az: VIII ZR 276/23). Wohl dazu zählen die BGH-Richter:innen aber Eheleute, Lebenspartner:innen und Verlobte, Kinder und Eltern, Geschwister, Enkel und Großeltern, Tanten und Onkels, Nichten und Neffen sowie Verschwägerte der Vermieterin oder des Vermieters.
Übrigens: Eine Aktiengesellschaft oder GmBH kann als juristische Person keinen Eigenbedarf anmelden. Wohl aber eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Häufigster Fall ist wohl die Erbengemeinschaft.
Nicht jede Kündigung wegen Eigenbedarfs ist wirksam
In der Kündigung muss angeben werden, warum gerade Ihre Wohnung gebraucht wird. Vor allem, wenn die oder der Vermieter:in mehrere Wohnungen hat, sollten Sie wachsam werden und nachfragen. Ist die Begründung widersprüchlich, ist die Kündigung unwirksam.
Wie schnell muss ich bei Eigenbedarf ausziehen?
Für die Kündigung aufgrund von Eigenbedarf gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen. Wohnen Sie fünf Jahre oder weniger in der Wohnung gilt eine Frist von drei Monaten. Sind Sie bereits länger dort, dann sind es sechs Monate. Ab acht Jahren Mietdauer gilt eine Frist von neun Monaten.
Daneben gibt es noch eine Besonderheit: Wohnen Sie in einem Mehrfamilienhaus, in dem die einzelnen Wohnungen nach Ihrem Einzug aufgeteilt und verkauft worden sind, gilt zusätzlich zur Kündigungsfrist eine Sperrfrist von drei Jahren. Wohnen Sie also beispielsweise mehr als fünf Jahre in der Wohnung, gilt eine Kündigungsfrist von neun Jahren und sechs Monaten. In Gebieten mit einem angespannten Wohnungsmarkt gilt sogar eine Frist von zehn Jahren.
Beachten Sie: Ihr(e) Vermieter:in benötigt einen Räumungstitel, um Sie zwangsweise aus der Wohnung zu holen. Dazu prüft das Gericht, ob die Eigenbedarfskündigung rechtmäßig ist.
Härtefall: Wenn die Kündigung besonders hart trifft
Es gibt zwei Wege, wie Sie sich gegen eine Kündigung wegen Eigenbedarfs wehren können. Haben Sie Zweifel daran, dass die Kündigung rechtmäßig ist, sprechen Sie Ihre(n) Vermieter:in darauf an. Hat sie oder er sich beispielsweise nicht an die Sperrfrist nach dem Wohnungskauf gehalten, ist die Kündigung unwirksam. Da ein Gerichtsverfahren für einen Räumungstitel auch für Vermietende teuer und anstrengend ist, können Sie sich vielleicht mit ihr oder ihm auf einen Kompromiss einigen. Vielleicht wird ihnen eine Abfindung gezahlt. Oder es gibt eine andere Wohnung des Vermietenden, die Sie beziehen können?
Der zweite Weg ist der Kündigung zu widersprechen, weil der Auszug für Sie, Ihre Familie oder einen anderen aus dem Haushalt eine besondere Härte darstellen würde. Eine solche Härte nehmen die Gerichte vor allem bei Schwangeren, Kranken und alten Menschen an.
Der Widerspruch wegen eines Härtefalls muss zwei Monate vor dem Ende des Mietverhältnisses erklärt worden sein – und zwar schriftlich.
Nutzen Sie unser Musterformular, um den Widerspruch wegen besonderer Härte zu erklären.
Gericht prüft besondere Härte durch Sachverständigengutachten
Greift der Widerspruch wegen eines Härtefalls, wird das Mietverhältnis so lange fortgesetzt, bis es unter allen Umständen für Sie angemessen ist auszuziehen. Das kann auch bedeuten, dass Sie bis zu Ihrem Lebensende in der Wohnung bleiben dürfen. Um zu prüfen, ob der Auszug für Sie eine besondere Härte bedeuten würde, schaltet das Gericht einen Sachverständigen hinzu.
Finden Sie beispielsweise keine zumutbare Ersatzwohnung, können Sie ebenfalls Widerspruch einlegen. Sie müssen dann jedoch vor Gericht nachweisen, dass Sie sich auch wirklich um eine andere Wohnung bemüht haben.
Wann ist eine andere Wohnung „zumutbar“?
Eine andere Wohnung ist zumutbar, wenn sie den bisherigen Lebensverhältnissen der Mieterin oder des Mieters im Wesentlichen entspricht. Eine gewisse Verschlechterung ist also hinzunehmen, zum Beispiel, wenn die neue Wohnung kleiner ist als die bisherige.
Lügt der Vermieter: gibt es Geld
Erfahren Sie nach Ihrem Auszug, dass Ihr(e) Vermieter:in gelogen hat und tatsächlich niemand eingezogen ist – oder zumindest nicht derjenige, der nach dem Gesetz hätte einziehen dürfen –, haben Sie Anspruch auf Schadensersatz.
Vermietende müssen Ihnen in diesem Fall diejenigen Kosten ersetzen, die Ihnen entstanden sind, weil Sie (grundlos) ausgezogen sind. Das kann zum Beispiel ein höherer Mietpreis für die neue Wohnung sein oder auch die Umzugskosten.
Anna Kristina Bückmann
Mit ihrem Fachwissen als Volljuristin beantwortet sie für meinrecht.de die alltäglichen Rechtsfragen unserer Leser:innen.